Unter den Wogen der politwissenschaftlichen Stürme, der Kakophonie sich auf unterschiedlichste Autoritäten berufender Personen, vom Flackerlicht wechselnder Ampelfarben beschienen, sehe ich eine Gestalt über den Grund tapern, die ab und zu etwas aufhebt und spitze Entzückensschreie ausstößt. Natürlich, es ist… „Mathilda!“ Fasziniert dreht sie ein Objekt in ihren Fingern, ehe sie sich mir etwas unwillig zuwendet. „Naa,“ erwidert sie gedehnt, „hast du wieder furchtbar wichtige Neuigkeiten?“ „Nö“, gebe ich mich betont gelassen, „ich freue mich, dich wiederzusehen. Und ich bin neugierig. Was sammelst du da?“ Sie grinst keck. „Pass mal auf, ich hab hier ziemlich nette Teile gefunden. Man muss sie nur noch bisserl saubermachen.“ Sie wischt mit dem Ärmel über einen unscheinbaren Klops, der sofort anfängt, wie von innen zu leuchten. „Mathilda!“ rufe ich erstaunt. „Das ist Magie!“ „Tja, Alltagsmagie“, erwidert sie trocken.
„Schau mal, die hier habe ich schon zusammengetragen und poliert.“ Sie zieht mich zu einer gemütlichen Nische und da liegen ihre Schätze. Einer nach dem anderen lasse ich mich von ihrer Ausstrahlung einfangen.
„Ich bin deine Zeit. Ich genieße es, wenn du dich einfach in mich fallen lässt und wir miteinander spielen, ohne Stress, ohne Termine. Dann kann ich dir Räume zeigen, an denen du sonst immer vorbeigehastet bist.“
„Ich bin deine Nahrung und finde es klasse, dass du wieder mit mehr Muße Wildkräuter sammelst, Nüsse knackst, Hagebutten erntest und daraus wunderbare Dinge zauberst, die Körper und Seele nähren.“
„Ich bin dein Immunsystem. Freu mich, dass du wieder mit Yoga angefangen hast und dass du immer wieder deinen Geist auflockerst. Auch dein Mikrobiom lässt grüßen. Es revanchiert sich täglich für die umsichtige Pflege.“
„Wir sind die Natur, die dich umgibt. Die Vögel am Morgen, die leuchtenden Kapuzinerkresseblüten im Novembernebel, die erfrischenden Regentropfen, die mit Wolkenformationen spielenden Sonnenstrahlen. Schön, dass wir uns wieder öfters begegnen.“
„Ich bin deine Aufmerksamkeit und freue mich, dass ich nicht mehr nur für das Funktionieren von Alltagsabläufen benutzt werde. Es ist gut, dass du den Rahmen deines Weltbildes zerkloppt hast oder sagen wir, sein Zerbrechen nicht unnötig lange verhindert hast. Lass ihn ruhig erstmal liegen und halte es aus, daraus nicht gleich etwas Neues zu zimmern. Wenn du erstmal das Gefühl los bist, dich immer irgendwo festhalten zu müssen, wirst du deine neue Bewegungsfreiheit nicht mehr missen wollen.“
„Ich bin deine Kreativität. Ich verbinde die unerschöpfliche geistige Welt mit deiner Lebenslust und Schöpferkraft. Daraus erwachsen neue Möglichkeiten und Wege in scheinbar alternativlosen Situationen.“
„Toll, oder?“ Mathilda lächelt mich versonnen an. Dann packt sie das Seidentuch mit den daraufliegenden Kostbarkeiten und schleudert sie hinaus in die stürmische Dunkelheit. „HALT! Mathilda, was tust du!!???“ kreische ich verzweifelt. Sie macht eine wegwerfende Handbewegung. „Das sind keine Klunker für die Vitrine.“ Sie guckt mir grinsend in die ungläubigen Augen. „Die sammelt man jeden Tag neu“, sagt sie leichthin. „Macht auch Spaß, wirste sehn!“ keckert sie im Weggehen. Dann dreht sie sich nochmal um. „Was machst du denn heute abend?“ Als ich mich wieder gefangen habe, fällt mir ein: „Hehe, ich nehme heut abend ein sinnliches Planschbad mit meinem Süßen. Mit Kerzen, Sekt und allem romantischen Pipapo.“ „Toller Plan, ich komm mit!“ krakeelt sie übermütig. „Arschbombe, wa?“ Ich freu mich schon. Endlich wieder ein weltbewegendes Ereignis.
„Nichts auf der Welt ist so gerecht verteilt wie der Verstand. Jeder glaubt er hätte genug davon.“
Descartes