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Der Weißdorn: Magischer Schutzbaum mit herzstärkender Kraft

Simone

Eine Landschaft aus dichten Wäldern, bevölkert von Hirsch und Bär, Wolf und Wisent und allerlei weiteren wilden Gestalten, darin hier und da Ringe aus weißen Wölkchen, die kleine gerodete Lichtungen umschließen, mit Lehmhäusern, Feld und Weide darin – so ähnlich mag ein Vogel im Mai beim Überfliegen unsere mitteleuropäischen Gefilde in der Jungsteinzeit wahrgenommen haben.

Weißdorn

Der Weißdorn gehörte für unsere Vorfahren zu den wichtigsten Pflanzen, die ihre Inseln der Zivilisation von der gefährlichen Außenwelt abschirmten. Gemeinsam mit weiteren stacheligen Gehölzen wie Schlehe, Brombeere, Wildrose und Kreuzdorn bildeten sie einen undurchdringlichen Schutzwall. Taucht man ein in die Atmosphäre eines üppig blühenden Weißdornbusches, ist es nicht schwer, noch etwas von den ihm innewohnenden magischen Kräfte für die damaligen Menschen zu spüren. Von den Kelten ist überliefert, dass der Weißdorn zu den wichtigsten „Häuptlingsbäumen“ gehörte. Das widerrechtliche Schlagen solcher Bäume wurde streng bestraft. Kein Wunder – sorgte der wehrhafte Weißdorn doch nicht nur für den friedlichen Schlaf der Siedlungsbewohner, sondern hielt auch böse Geister und Dämonen von seinen Schützlingen fern. Selbst Krankheiten sollen an seinen Stacheln hängenbleiben. So mancher trug ein Amulett aus Weißdornholz, um seine Abwehrkraft immer bei sich zu haben. In Irland und Wales wird der Weißdorn noch heute als Wohnort der Feen gesehen. Darauf müssen dann auch Straßenbauprojekte Rücksicht nehmen.

Weißdorn

Der auch Hagedorn genannte Strauch enthält ebenso wie die Hagerose (Hunds- oder Wildrose) mit ihren Hagebutten das germanische Wort Hag für Umzäunung und Schutz. Hinter dem natürlichen Schutzwall wartete die unberechenbare Welt der wilden Tiere, der Naturwesen und die übersinnliche Welt des Zaubers. Nur Wagemutige, Kräuterweiber und Schamanen wagten sich in diese Außenwelt. Die „Hagazussa“ waren die Zaunreiterinnen, die Hexen, die mit den Geistern sprachen und heilkräftige Pflanzen aus der Wildnis hereinbrachten.

Die herzstärkenden Qualitäten des Weißdorns wurden erst spät entdeckt – zumindest ist dies erst aus dem 19. Jahrhundert durch den irischen Arzt Dr. Green belegt. Offenbar entstand der Bedarf erst in der Zeit der industriellen Revolution, die mit den neuen Rhythmen der Maschinen und Fabriken den Menschen eine neue Lebensweise aufzwang, die das Herz belastete. Heute ist wissenschaftlich belegt, dass Weißdorn die Durchblutung der Herzkranzgefäße fördert und den Blutdruck reguliert. Er wird auch bei Herzrhythmusstörungen, Herz-Kreislauf-Beschwerden und zur Vorbeugung von Arteriosklerose eingesetzt. Wirksam sind Blüten, Blätter und Beeren. Ich pflücke immer im Mai die frisch aufgeblühten kleinen Blütendolden mit den darunterstehenden Blättern und trockne den Jahresvorrat für meine Hausteemischung.

Weißdorn

Die Blüten des Weißdorns verströmen einen eigenartigen animalischen Duft, der nicht jedermanns Sache ist. Das liegt an der Stickstoffverbindung Trimethylamin, die eine Verwandte von Ammoniak ist und Aasliebhaber wie Fliegen anzieht. Nichtsdestotrotz kann man mit den Blüten auch eine unerwartet leckere Tinktur mit honigartigem Aroma herstellen. Diese herzstärkende Tinktur kann ebenso aus den Beeren hergestellt werden. Geschmacklich sind die kleinen roten Beeren eher nichtssagend und mehlig. Auch gut – so bleibt mehr für die Vögel, die in dem dichten Dornbusch auch gern ihre Nester bauen.

Der Weißdorn ist ein anspruchsloses und widerstandsfähiges Gewächs, der problemlos auch längere Dürrezeiten überdauert. Er kann mehrere hundert Jahre alt werden und hat ein sehr hartes Holz, das für Werkzeuggriffe, zum Schnitzen oder Drechseln Verwendung findet. Und bei einem so magischen Gewächs muss auch auf diese Verwendung eingegangen werden: In ihrem Zauberstab-Lexikon schreibt Joanne K. Rowling über den Weißdorn (Hawthorn) als Zauberstab, er eigne sich besonders gut für die Heilung von Magie, aber gehöre in die Hände eines talentierten Zauberers, sonst könne der Zauber nach hinten losgehen. Darin steckt das widersprüchliche Wesen dieses Grenzbaums zwischen Komfortzone und der Unberechenbarkeit der Natur – die doch auch unsere eigene ist.

Weißdorn

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