Unser Wohnwagendach hat jetzt ein schönes, rotes Mäntelchen bekommen – der Winter kann kommen! Dieser wetterfeste Segeltuchüberzug über der schwarzen Teichfolie ist jetzt optisch und als Schutzfaktor die Krönung der Außengestaltung. Dafür ist Elena verantwortlich, die Segelmacherin. Lange hatte ich gedacht, ich besorge mir einfach selber ein Stöffchen, schneide es zurecht und tackere es unterm Dach fest wie die Teichfolie auch. Nach und nach schwante mir jedoch, dass das vielleicht keine so gute Idee ist… Erstmal rieb ich mich auf mit der Recherche nach dem geeigneten Material. Was mag wohl besser und umweltfreundlicher sein – Kunststoff oder Baumwolle? Der spontane Impuls „natürlich Baumwolle!“ zerbröselt, wenn man sich näher ins Thema vertieft. Baumwolle bedeutet auch schnellere Verrottbarkeit, wenn der Stoff nicht mit Fungiziden und anderen Chemikalien behandelt ist (und vielleicht sogar dann). Dann ist der konventionelle Anbau von Baumwolle bisher alles andere als ökologisch – hoher Wasserverbrauch, jede Menge Pestizide, ausgebeutete Arbeiter… und dann muss der Stoff womöglich schon nach wenigen Jahren ersetzt werden. Bio-Baumwolle? Der Markt dafür ist noch sehr überschaubar, bei Segeltuch siehts noch dünner aus als bei Klamottenstoff. Und ohne jegliche Ausrüstung kann man dem Stoff wohl beim Kompostieren zuschauen. Besonders wenn der Wagen unterm Kirschbaum steht, von dem im Sommer die faulenden Kirschen fallen… Und Oilskin-Stoff, die berühmte gewachste Baumwolle der wettergestählten Briten? Wäre vielleicht eine Möglichkeit, wenn auch ein teure… aber irgendwann muss man die Wachsschicht auffrischen und das ist dann auch wieder so’n Akt, bei dem man auf dem Dach herumturnen müsste, das eigentlich nicht für größere Belastungen ausgelegt ist. Also doch Kunststoff??
Als ich beginne zu überlegen, ob man den Stoff vorm Antackern wohl umschlagen oder gar umnähen sollte und ob tackern überhaupt so ne gute Idee ist, wandern meine Gedanken zu den Profis im Landkreis, die diese stabilen Sonnensegel anfertigen, die man hier an vielen Orten sieht. Ich gestehe mir ein, ich hab nicht genug Ahnung, ich will einen Fachmenschen, der mich mal richtig beraten und am besten praktisch unterstützen kann! So landen wir schließlich bei Elena in Klein Kühren an der Elbe, die als gelernte Segelmacherin das Wendland seit Jahren mit „Windstabilen Sonnensegeln“ versorgt. Sie zeigt uns die Muster der Stoffhändler ihres Vertrauens. Es gibt dabei auch Baumwollqualität, aber die ist natürlich gegen Verrottung ausgerüstet. Immerhin – das Acryl-Material ist recyclebar. Schön wäre ein Gewebe, das bereits recycelt ist, aber das gibt der Markt noch nicht her. Wir entscheiden uns also für das Erdölprodukt, hoffend, dass es dereinst die Möglichkeit geben wird, das ausgebrauchte Tuch einer neuen Verwendung zuzuführen. Und wir betrauen die Fachfrau gleich mit der Anfertigung der Dachhaut.
Eine gute Entscheidung, wie wir bald feststellen. Schon beim Aufzeichnen und vermaßen verzweifle ich daran, dass alle Maße unserer Hütte irgendwie voneinander abweichen. Ist zwar ganz sympathisch, so ein organisch ungleichmäßiges Gewächs, aber für Konstruktionsarbeiten eine Katastrophe. Da gibt’s nur eins: Elena muss die Haut am lebenden Objekt anpassen. Die 50 km an die Elbe werden zur Jungfernfahrt mit dem Wägelchen, das bisher nur eine Minirunde um den Prießecker Acker drehen durfte. Gewöhnungsbedürftig ist, dass sich jede Bodenunebenheit vorne im Auto deutlich bemerkbar macht. Wir fahren wie auf rohen Eiern – am Anfang. Mit der Zeit steigt das Vertrauen in die Resilienz des Gefährts. Dafür hatten wir bei der Ackerrunde auch schon einen Praxistest gemacht: Einer saß dabei hinten im Wohnwagen und gab über Handy nach vorne durch, wie sich das Fahrzeug verhält. Trotz des Gerappels bei den Holperwegen verhielt sich die Kiste mit der Befestigung auf dem Hänger beruhigend stabil.
Nun hatte Elena den Wagen also mit all seinen Eigenwilligkeiten vor der Nase – und schon wenige Tage später durften wir kommen, um das Ergebnis zu bewundern. Die Exaktheit, mit der die neue Haut sich anschmiegte, ließ uns staunen. Am Kragen für die Dachluke waren Eckverstärkungen angebracht, die Ecken hatten Abnäher bekommen und ringsum ließen Einbuchtungen Raum für die Dachsparren, zwischen denen der Saum umgeschlagen wurde. Nun durften wir noch außenherum in das solide Tuch jede Menge Ösen einschlagen, deren Gegenstück wir dann zuhause am Dach anschrauben würden. Mit einem Clipverschluss ließen sich dann die Ösen am Dach befestigen.
Schlussendlich standen wir fasziniert vor einem faltenfrei aufgezogenen Profidach. „Im richtigen Moment zum Profi zu gehen, ist manchmal gar nicht verkehrt, oder?“ zwinkerte Mathilda. „Hachja“, seufze ich glücklich, „und dazu wieder so eine bereichernde Begegnung!“ „Jo“, sinniert sie, „das Eigentliche sind die Beziehungen, die entstehen. Der Wagen ist nur ein Vehikel dafür.“