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Gemeinwohl-Ökonomie – ein Systemwechsel

Simone

Demo Klimaschutz

Gestern waren wir auf der Gründungssitzung der wendländischen Gemeinwohl-Ökonomie-Gruppe in Grabow. Die Gemeinwohl-Ökonomie, ein Konzept von Christian Felber einer grundlegenden Neuausrichtung unserer Wirtschaft innerhalb des bestehenden kapitalistischen Systems, ist wohl bisher die umfassendste und pragmatischste Antwort auf all die brisanten Krisenherde, die uns derzeit umtreiben – Klimakrise, wirtschaftliche Ausbeutung von Mensch und Natur, Kriegsgewalt und Flüchtlingsströme und überdies der immer wieder drohende Finanzkollaps. Die Gemeinwohl-Ökonomie setzt mit der Wirtschaft am Motor der ganzen Entwicklungen an und schafft es, durch den einfachen Switch der Zielausrichtung ein umfassend neues System zu generieren. Von den beiden entgegengesetzten Motivationslagen im Menschen – Abgrenzung, Wettbewerb und Gewinnmaximierung gegenüber Gemeinschaft, Kooperation und Gerechtigkeit – setzte die Wirtschaft bisher einseitig auf die erste Seite. Mit dem Effekt, dass das ganze Boot Schlagseite bekam und zunehmend mehr Menschen realisieren, dass nicht nur die Minderbemittelten auf diesem Globus nasse Füße bekommen…

Dieser einfache Switch in der Grundausrichtung ist wie der Blick durch eine neue Brille. Und er verändert alles – angefangen vom persönlichen Wohl des Individuums über ein gesundes Sozialwesen der ganzen Gesellschaft, eine lebendige Demokratie, ein vitales Ökosystem bis zu einer sinnerfüllten Wirtschaft, die ihre Kraft aus der Beteiligung der Menschen schöpft anstatt aus ihrer Ausbeutung. Wir sind reif für diesen Switch, unsere nassen Füße forcieren diese Reifung.

Etliche Unternehmen weltweit haben sich dem neuen Konzept bereits angeschlossen und für ihren Betrieb eine Gemeinwohl-Bilanz erstellen lassen. Diese Bilanz wird veröffentlicht und dient nicht nur als Ansporn, noch besser zu werden, sondern auch als Anreiz für Kunden, diese Unternehmen mit ihrem Einkauf zu unterstützen. Auf dem gestrigen Abend war zu hören, dass sich dies schon positiv auf manche Geschäftsentwicklung ausgewirkt hat, ebenso die größere Motivation der Mitarbeiter. Es fand sich auch spontan eine Gruppe von Unternehmern zusammen, die sich selbst bilanzieren lassen und das Konzept in der Region voranbringen wollen. Aber auch für Privatleute ist der Ansatz eine wertvolle Orientierungshilfe. Auf der Website der Gemeinwohl-Ökonomie kann man seine persönliche Gemeinwohl-Bilanz anhand eines Fragebogens erstellen. Auffallend ist dabei der Schwerpunkt auf demokratischem Bewusstsein und Sozialverhalten, ökologisches Verhalten wird nur unspezifisch beleuchtet. Das Thema Menschenwürde beginnt mit meinem Umgang mit mir selbst. Ja, das ist das Fundament, wird mir klar. Wir müssen wieder lernen, uns selbst zu achten, unsere Zeit wertzuschätzen und unsere Bedürfnisse wahrzunehmen. Daraus erwächst alles andere. Unsere Umwelt wahrnehmen und wertschätzen und die vielfältigen Verbindungen spüren. Ein lebendiges Gefühl für den Wert der „Dinge“ entwickeln, die uns am Leben erhalten. Manchmal stelle ich mir vor, ich wüsste nicht, was ein Lebensmittel im Laden kostet und frage mein Gefühl, welchen Wert ich ihm geben würde, etwa ein Liter Milch oder ein Kilo Möhren. Und finde erstaunlich, dass dieses Gefühl meist einen viel höheren Nennwert hat, als der Preis selbst des Ökolebensmittels, den ich bezahle. Wie kann es sein, dass ein Liter Milch billiger verschleudert wird, als ein Liter Sprit? Man kommt ins Wundern, wenn man sich die Welt durch die neue Brille anschaut… und eigentlich sollte dann der Weg, diesen gefühlt fairen Wert in eine reale Entlohnung umzusetzen, nicht mehr so weit sein…

Deutlich beschleunigt würde dieser Weg, wenn die Politik mitziehen würde und Gemeinwohl-Verhalten begünstigen würde gegenüber ausbeuterischem Wirtschaften. Man kann nur staunen, dass ein Gremium, das per Grundgesetz verpflichtet ist, dem Gemeinwohl zu dienen, dies bisher bis an den Rand des Systemkollaps missachtet hat. Und dass wir alle dies haben geschehen lassen.

Dank dem Arschtritt der jungen Generation ist es vielleicht noch nicht zu spät. Das Gesamtkonzept, das das junge Team der Generationenstiftung vorgelegt hat, mit ihrem Buch „Ihr habt keinen Plan, darum machen wir einen“  deckt sich in den wesentlichen Bereichen mit dem Konzept der Gemeinwohl-Ökonomie und geht teilweise noch darüber hinaus.

Es gibt keine Ausreden mehr. Wir wissen bescheid. Und es ist klar, was zu tun ist. Die neue Brille wird uns daran hindern, aufeinander mit dem Finger zu zeigen, Schuld herumzuschieben und über den optimalen Kurs zu debattieren in unserem sinkenden Boot. Jeder hört zu, jedem wird zugehört. Jeder leistet seinen persönlichen Beitrag, ohne abgeurteilt zu werden. Wir regen einander an, unterstützen uns gegenseitig, bringen einander auf Ideen und bewerkstelligen Dinge, die wir nie allein geschafft hätten.

“Und die allein auch viel zu öde wären”, flötet Mathilda aus dem Off…

Demo Klimaschutz

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