„Als das Wünschen noch geholfen hat…“ – so beginnen manche Märchen. Der akute Wunscherfüllungsbedarf auf unserem Planeten ist immens, aber hilft wünschen? Und was war anders als das Wünschen noch geholfen hat? „Naja“, mutmaßt Mathilda, „die Menschen haben den Wunsch wohl als werdende Wirklichkeit verstanden. Und das hat dann auch gewirkt.“ „Daher der Name Wirk-lichkeit“, grinse ich. „Ist doch klar“, stellt sie fest, „wenn du davon ausgehst, dass was bestimmtes passiert, verhältst du dich entsprechend. Das biegt dann das Wirk-und-Beziehungsnetz so hin, dass die Kugel in deine Richtung rollt, ne?“ Sie verknotet ihre Arme und piekt mir daraus mit dem Zeigefinger auf die Nase.
Vor meinem inneren Auge erscheint eine physikalische Grafik, die veranschaulicht, wie die Raumzeit von einem Massekörper verkrümmt wird, ein Phänomen, das Einstein in seiner allgemeinen Relativitätstheorie postuliert hatte und das Jahrzehnte später experimentell bestätigt wurde. In einer Ebene mit einem gleichmäßigen Raster liegt eine Kugel, die die Rasterfläche dehnt wie ein Gummituch. „Vielleicht ist es mit unserer Wirklichkeits-Welt ähnlich wie mit den Körpern, die auf die Raumzeit wirken“, schlage ich vor. „Jeder wirkt ein auf die Matrix, die ihn umgibt und mit allem verbindet. Allein schon durch die Ausrichtung seiner Gedanken.“ „Und Wünsche sind starke Gedanken“, stimmt Mathilda zu, „weil sie gerichtet sind und Kräfte bündeln.“
„Wünsche in diesem Sinn sind ja solche, bei denen das Leben was beitragen muss, damit der Wunsch erfüllt wird, etwas, was nicht in meiner Hand liegt“, sinniere ich. „Hmm, meist liegt ja doch viel mehr in deiner Hand, als du wahrhaben willst, wenn du es dir genau anguckst“, entgegnet Mathilda. „Wenn du dir was so richtig wünschst, wird das wichtiger als das, was du für ‘realistisch’ hältst. Und du siehst, dass viele Hindernisse, die du draußen verortet hast, tatsächlich in deinem Kopf stecken.“
Ein Grinsen breitet sich auf meinem Gesicht aus. „Ja, die Raster im Kopf, die sind wir schon so gewöhnt, dass wir sie gar nicht wahrnehmen… gibt ja auch schön Stabilität und Sicherheit, so’n Gerüst, gerade in diesen ungemütlichen Zeiten…“ „Umso dringender, dass du flexibler im Kopp wirst, in diesen ungemütlichen Zeiten“, kläfft Mathilda mich an. „Wer weiß, ob du morgen noch im Laden kaufen kannst, wonach dich grade gelüstet… ‘Hach, hamm Sie noch was von diesem köstlichen Stremellachs da… oder von dem zarten Heilbutt’ – Mann, die Viecher brauchen mindestens zehn Jahre, bis sie sich vermehren können, bald sindse weg und rest follows!“
„Okay“, seufze ich, “ich wünsche mir, dass ich auch morgen noch ab und zu ein Stückchen Stremellachs genießen kann…“ „Ein frommer Wunsch“, knarzt Mathilda, „und was tust du dafür?“ „Ich,“ hole ich Luft, „kauf nicht mehr jede Woche welchen, sondern nur noch, sagen wir, einmal im Monat. Und nur noch ohne Verpackung, damit die Viecher im Meer nicht an meinem Plastik verrecken. Und…“ setze ich zögernd nach, „dem Heilbutt geb ich Mutterschutz. Unbefristet!“ „Nagut“, lenkt sie ein, „dann darfste mir gelegentlich auch was von deinem Lachs abgeben. Aber nur mit Haut, gelle? Die ist das Beste, mit dem ganzen Fett und Salz dran!“ Sie verdreht lüstern die Augen. Ich seh schon, die Haut wird knapp… dann üben wir mal, jede einzelne Kalorie zu genießen.
Einstweilen haben wir die Innenwände des Wohnwagens gedämmt und gestrichen. Irgendwie ist das Ding ja auch ein Wunschwagen. Erst war es nichts als Gedanken und Linien und Farbe auf einem Stück Papier und jetzt… beginnt sich daran immer mehr zu konkretisieren und weitere Ideen anzuziehen. Spannend.